Brakteatenzeit, ca. 1150 – 1450 (fließendes Geld im Mittelalter)

By In Artikel
Rate this item
(10 Stimmen)

Brakteatenzeit, ca. 1150 – 1450 (fließendes Geld im Mittelalter) Der Erzbischof Wichmann von Magdeburg, der nach Fritz Schwarz im 12. Jahrhundert („Der Christ und das Geld“, Synergie Verlag, Darmstadt, Überarbeitete Neuauflage 2007, Seite 20) eines der „...rührigsten und einflussreichsten Staatsmänner der damaligen Zeit...“ gewesen sein soll, ist wesentlich für das Einführen des Verrufens von Münzgeld verantwortlich. Das Prinzip ist einfach zu erklären.

Es waren Dünnblechmünzen als Münzgeld mit einer entsprechenden Prägung im Umlauf. Ohne Vorankündigung wurden in regelmäßigen, aber nicht genau definierten Abständen, diese Münzen „verrufen“, verloren

demnach die Einsatzmöglichkeit als Zahlungsmittel. Es gibt auch Beispiele, bei denen das Verrufen in festgelegten Zeitabständen erfolgte. Aus diesem Grund war es nicht zweckdienlich, derartige Zahlungsmittel als Wertspeicher anzuhäufen, da der „Verlust“ nach dem Tausch in die neu ausgegebenen Münzen zu intensiv gewesen wäre. Ein typischer Abzug lag in der Höhe von 20 bis 25 %, man gab demnach zum Beispiel 4 oder 5 „alte“ Münzen ab, um im Tausch 3 oder 4 neue Münzen, die sofort volle Akzeptanz erlangten, zu erhalten. Fritz Schwarz (s.o., Seite 21) schreibt hierzu: „Mit seinen regelmäßigen Verrufungen wurden die Geldbesitzer veranlasst, das Geld im ständigen Umlauf zu erhalten. So wurde gekauft, gearbeitet, gespart, nicht nur in Geldforderungen, sondern auch in besseren Dingen.“ Ich bin der festen Überzeugung, dass diese Methode des Münzverrufens ein wesentlicher, wenn nicht sogar der wesentliche Fakt für die wahrlich positive wirtschaftliche Entwicklung dieser Zeit gewesen sein muss. Es ist festzustellen, dass die Blütezeiten von Regionen immer mit einem funktionierenden Geldwesen korrelieren. So ist ein intaktes Tauschmittel keine hinreichende Bedingung erfolgreichem Wirtschaftens, aber bestimmt eine notwendige!

Kritiker dieser Verfahrensweise bezeichnen das Verrufen von Münzen als eine andere Art der Inflation. Im klassischen Fall der Inflation verliert das Geld beständig an Kaufkraft. Es wird über verschiedene Mechanismen die Geldmenge ausgeweitet, wächst die Menge der Zahlungsmittel schneller als die Waren- und Dienstleistungsmenge, bei gleichbleibender Umlaufgeschwindigkeit des Geldes, steigen die Preise. Würde man nun Geld dem Kreislauf entziehen und es sich unter das viel zitierte Kopfkissen legen, hieße das, man nimmt den Nachteil in Kauf, für die gehorteten Mittel später bei Einsatz entsprechend weniger Waren oder Dienstleistungen eintauschen zu können. Absolut die gleiche Wirkungsweise tritt auf, wenn sich durch Verrufen die Anzahl der verfügbaren Münzen bei gleichbleibenden Preisen reduziert. Gern wird von den Kritikern und Vertretern einer Zinswirtschaft hochgerechnet, nach welchem Zeitfenster bei einer angenommenen Verrufungsfrequenz der Tauschwert des Zahlungsmittels bei so ziemlich null angekommen sei. Diese Argumentationskette wird zu Grunde gelegt, um die Sinnigkeit des konstruktiv umlaufgesicherten Geldes in Frage zu stellen bzw. die Unbrauchbarkeit dieser Alternative zu belegen. Doch es verhält sich wie beim Turniertanz. Die Schritte können stimmen, die Tänzer sind in wunderschönen Stoffen gekleidet, die leidenschaftliche Ausstrahlung ist entzückend, doch die Bewegungen erfolgen außer Takt. Die halbe Wahrheit ist die gefährlichste Lüge, heißt es zu treffend. Der Tanz erreicht sofort die ersehnte Qualität, wenn die Körper in den Rhythmus der Musik finden. Die Lösung in der modernen Finanzwelt ist leicht zu erreichen, da im strengen Sinne die „Verrufung“ im Wesentlichen nur die „Motivation“ darstellt, Geld nicht zu horten. In übertragener Bedeutung wäre das Verrufen das Installieren einer konstruktiven Umlaufsicherungsgebühr auf Geld (fließendes Geld). Der Kern besteht nun darin, dass genau diese deutlich reduziert oder ganz erspart werden kann, wenn das ungenutzte Geld zur Bank gebracht wird, damit diese den Betrag über Darlehen anderen Wirtschaftsteilnehmern zur Verfügung stellen kann. Die Höhe der Reduzierung der Nutzungsgebühr korreliert mit der Laufzeitlänge, für die das Geld der Bank überlassen wird. Je länger man auf das Nutzen des Betrages selbst verzichtet, desto höher die Ersparnis der Gebühr. Bei mittelfristigen Anlagelaufzeiten fällt die Gebühr auf null. Man ist also leicht in der Lage, bei einem alternativen System Gelder zurückzulegen, ohne das Geringste an Kaufkraft bei konstanten Preisen zu verlieren.

 

Bild: Helmut Creuz Nr. 087 a

 

Diejenigen, die ihre monatlichen Einnahmen vollständig zum Leben benötigen, sind von einer Nutzungsgebühr kaum berührt, da sie ihr Geld jeden Monat für das Notwendige ausgeben. Für ein alternatives Geldwesen im 21. Jahrhundert ist die Inflationskritik deshalb gegenstandslos.

Entscheidend ist, dass im aktuellen System die Guthabenszinsen in den Schuldzinsen enthalten sind. Schuldzinsen zahlen alle. Die Schuldzinsen der Industrie sind in den Waren- und Dienstleistungen enthalten. Wenn Sie konsumieren, bedienen Sie anteilig diese Schuldzinsen. Die Schuldzinsen des Staates entrichten Sie ständig, wenn Sie Steuern zahlen. Und für die Schuldzinsen der Darlehen, die Sie selbst aufgenommen haben, sind Sie ebenfalls zuständig. 9 von 10 Menschen zahlen lebenslang durch diesen Mechanismus immer mehr Schuldzinsen, als sie je in der Lage sind, Guthabenszinsen zu generieren. Wird dank einer Nutzungsgebühr auf Zahlungsmittel der Guthabenszins gegen 0 geführt, reduzieren sich an allen Stellen die Darlehenskosten genau um diesen Betrag. Die freie Liquidität der meisten Menschen würde sich spürbar erhöhen. Doch auch die Zinsgewinner können für ein derartiges Geldsystem stimmen.

Fließendes Geld nimmt der Wirtschaft den Wachstumszwang, da Guthaben und Schulden durch den fehlenden Zinseszinseffekt nicht mehr exponentiell wachsen. Auf diese Weise sind wir erst in der Lage, im notwendigen Umfang nachhaltig zu wirtschaften und damit Mensch, Tier und Natur zu schützen. Zinsgewinner atmen dieselbe Luft, schwimmen in denselben Meeren und spazieren in derselben Natur. Zum Lebensglück gehören eine gesunde Umwelt und funktionale soziale Strukturen. Deshalb können alle Menschen für fließendes Geld stimmen. Doch der Leser, der noch nicht allzu viel über die Brakteatenzeit gelesen hat, wird sich an dieser Stelle wundern Wenn hier die Überzeugungen vertreten werden, dass die Zirkulation des Geldes bestens gelang und sich hieraus reger Handel ergab, der dem Arbeitenden nur dienlich war, diese Methode dennoch wieder aufgegeben wurde. Wie konnte nur ein derartiger Fehler zur Umsetzung gelangen? Die Antwort ist in der menschlichen Gier zu finden. Der Schlagschatz (Anteil der bei Verrufen des Geldes einbehaltenen Münzen) war eine verlockende Einnahme des im Besitz des Prägerechts befindlichen Fürsten. Und so missbrauchten hemmungslose Landesherren ihre Münzgewalt und erhöhten die Häufigkeit des Verrufens des Geldes mit dem primitiven Ziel, sich die harte Arbeitsleistung ihrer Abhängigen auf niederträchtige Art und Weise anzueignen. Hieraus lässt sich ableiten, dass eine demokratische Kontrolle der Geld ausgebenden, öffentlich rechtlichen Instanz zwingend notwendig ist. Unter dieser Voraussetzung bleibt der Allgemeinheit der Nutzen des fließenden Geldes uneingeschränkt erhalten.

 

 

 

 

5 Kommentare