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Griechenland mit fließendem Geld sanieren und den Euro als fließendes Geld retten? – Teil 1

– Einleitung –



Von Wolfgang Berger, www.lust-auf-neues-geld.de , 29.09.2011



Alle – auch die, die Santorini, Kreta oder Rhodos in traumhafter Erinnerung haben – reden über Griechenland. Auch wer nicht darüber redet sorgt sich: Wie machen wir es richtig?

Ich habe den Göttervater Zeus befragt: Pandora, die erste Frau nach der griechischen Mythologie, ist von berauschender Schönheit und holdseligem Liebreiz. Zeus hat ihr einen großen, irdenen Vorratskrug für Wein, Öl und Getreide gegeben. Diesen „píthos“ (πίθος, lateinisch: dōlium) hat Erasmus von Rotterdam in seiner Übersetzung ins Lateinische wohl versehentlich in eine „pyxís“ (πυξίς, lateinisch: vāsculum) – eine „Büchse“ verwandelt. Seitdem reden wir von der Büchse der Pandora – aber es war ein Krug.

Pandora soll den Menschen diesen Krug mit der Auflage schenken, ihn unter keinen Umständen zu öffnen. Aber wie das so ist mit unserer Neugier: Noch bevor Pandora zur verführenden Eva des Alten Testaments wird, öffnen die Menschen den Krug und alle Plagen kommen über die Welt.

In unseren Tagen lassen die Untertanen von Despoten ihr Kerkerdasein nicht mehr bieten und auch die Bürger von vermeintlich demokratischen Staaten rebellieren gegen Fremdbestimmung. Macht zerbröckelt allenthalben. Täuschungen und Lügen fliegen auf, Geheimnisse werden enttarnt. Immer mehr Menschen schauen hinter die Kulissen. Dieser Prozess, der sich weltweit anbahnt, wird sehr bald schon das in den Schatten stellen, was wir 1989 mit dem Fall der Mauer erlebt haben.

Ich möchte Ihnen meiner Sicht einige Zusammenhänge zu drei Fragen darlegen:

  1. Welche Plage aus Pandoras Krug hat unsere Finanz- und Wirtschaftsordnung verseucht?
  2. Was können wir tun, um die Plage dieser falschen Lehre wieder in Pandoras Krug zu versenken?
  3. Wie kann eine Ordnung ohne diese Plagen aussehen – eine Ordnung, die dem Leben dient?


Jede dieser Abhandlungen ist ein Kapitel einer zusammenhängenden Argumentationskette, die Sie alle auf dieser Website finden. Am Schluss gibt es dann noch ein Fazit.


Griechenland mit fließendem Geld sanieren
den Euro als fließendes Geld retten
– Teil 1: Welche Plage aus Pandoras Krug hat unsere Finanz- und Wirtschaftsordnung verseucht? –


Von Wolfgang Berger, www.lust-auf-neues-geld.de , 29.09.2011

 

 

Seit drei Jahren erleben wir, dass die Gewinne der Banken Privatsache sind und z. B. John Paulson ein persönliches Jahreseinkommen von fünf Milliarden Dollar ermöglichen – kalendertäglich das Jahreseinkommen von Josef Ackermann, dem Chef der Deutschen Bank. Die Zahl der Milliardäre weltweit hat sich im letzten Jahrzehnt von 200 auf 1.000 verfünffacht. Für Verluste und Nebenwirkungen aber haften wir alle, weil die Staaten dafür aufkommen müssen. Im letzten Jahrzehnt sind die Nettoarbeitseinkommen in Deutschland gesunken. Die Arbeitsnehmer in den Vereinigten Staaten haben schon seit dreißig Jahren keine Erhöhung ihres Realeinkommens mehr bekommen.

Das ist kein Zufall und keine naturgesetzliche Notwendigkeit, sondern die logische Folge der unser Zeitalter beherrschenden Ideologie. Für die ist vor allem ein inzwischen verstorbener Nobelpreisträger verantwortlich. In seiner Dankesrede anlässlich der Verleihung des Nobelpreises für Ökonomie sprach Milton Friedman 1976 davon, dass seine Disziplin eine präzise Wissenschaft sei – genauso wie die Naturwissenschaften – und dass die Schlüsse dieser reinen Lehre, die er pure economics nannte sich mit gleicher mathematischer Präzision aus einer Zielfunktion ableiten ließen.

Es gebe einen stabilen und komfortablen Zustand – ein „makroökonomisches Gleichgewicht“ – wenn eine gegebene Verteilung nicht geändert werden kann, ohne dass einer der Beteiligten schlechter gestellt werde. Und dieses Gleichgewicht sei das „soziale Optimum“.

Die von Friedman maßgeblich mitgeprägte neoklassische Wirtschaftstheorie weist mit Hilfe eines anspruchsvollen mathematischen Apparats nach, dass eine optimale Zuteilung verfügbarer Produktionsfaktoren dieses Allgemeine Gleichgewicht bewirkt und dass die Optimierung voraussetzt, dass drei wirtschaftspolitische Stoßrichtungen gleichzeitig konsequent verfolgt werden:

a Privatisierung:
Nur private Eigentümer wirtschaften gut und erschaffen Wohlstand.
Daraus folgt der Auftrag an die Politik „ Kapitalismus pur“.

bDeregulierung:
Nur unkontrollierte Märkte gleichen Angebot und Nachfrage aus.
Daraus folgt der Auftrag an die Politik „Marktwirtschaft pur“.

cRückbau des Staates:
Nur Eigenverantwortung und Eigeninitiative bringen Fortschritt.
Daraus folgt der Auftrag an die Politik „Wettbewerb pur“.


Nach Friedmans Lehre erfüllt der Unternehmer seine soziale Verantwortung, indem er Gewinn erzielt. Je höher sein Gewinn, desto größer sein Beitrag zum „sozialen Optimum“. Wer sein Eigeninteresse konsequent verfolgt, nütze damit automatisch auch der Allgemeinheit am meisten.

Und wenn etwas nicht so ist, wie es sein sollte – z.B. Konjunkturkrisen, Arbeitslosigkeit, Wachstumsschwäche, Inflation – dann nur deshalb, weil noch nicht alles Kapital in privaten Händen ist, weil der Markt noch nicht wirklich frei ist oder weil sich noch immer Leute in „staatlichen Hängematten“ sonnen.

Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus wurde dieses Credo der Ökonomen mit „Freiheit“ gleichgesetzt und weltweit an 90 % der Universitäten gelehrt. Die ökonomische Fakultät der Universität in Chicago, an der Friedman lehrte, ist zum Wallfahrtsort für Studenten der Volkswirtschaftslehre aus allen Kontinenten geworden.

Friedmans Schüler sitzen auf den höchst dotierten Lehrstühlen, sind Minister und Berater von Regierungen in aller Welt, Führungskräfte bei der Weltbank und beim Internationalen Währungsfonds. Er selbst beeindruckte und beriet viele Präsidenten und Regierungschefs – unter ihnen Ronald Reagan, Margaret Thatcher und Augusto José Ramón Pinochet.

Ziel seines Kreuzzugs für den freien Markt war es, weltweit Druck für Reformen zu schaffen („create irresistible pressure for change“), um vollständige Privatisierung und radikale Deregulierung durchzusetzen, und um staatliche Funktionen wenigstens so weit zurückzubauen, dass keinerlei Sozialpolitik mehr betrieben werden kann. Mit einer Fülle brillanter wissenschaftlicher Fachveröffentlichungen untermauerte er seine Forderungen.

Und so geschah es:
Ein Kapitalismus pur hat weltweit Staatseigentum privatisiert.
Eine Marktwirtschaft pur hat die Grenzen für Importe geöffnet und ist dabei, einheimische Arbeitseinkommen auf „Weltlohnniveau“ zu drücken.
Ein Wettbewerb pur hat den Staat kastriert, der immer weniger eingreifen und sozialen Ausgleich schaffen kann.

Herrschende Ideen wirken sich immer sehr konkret aus:

Die Physiokraten sahen im Boden den einzigen produktiven Faktor und ordnen ihm den gesamten Ertrag zu. Adel und Geistlichkeit waren zufrieden, die Leibeigenschaft war nicht nur rechtens, sondern auch „wissenschaftlich“ als richtig bestätigt.

Die Marxisten sahen in der Arbeit den einzigen produktiven Faktor, ordnen ihr den gesamten Ertrag zu und enteignen die Besitzenden. Die kommunistischen Funktionäre oder Arbeiterführer waren zufrieden, konnten sie doch nun mit „wissenschaftlichem“ Segen den Ertrag zuteilen.

Die Neoliberalen sahen im Kapital den entscheidenden produktiven Faktor. Und weil es knapp ist, müssen freie Finanzmärkte es dahin lenken, wo es den größten Nutzen
stiftet. Das setzt weltweit nicht regulierte Kapitalbewegungen ohne jede Einschränkung voraus. Für Kapital und Investitionen darf es keine Grenzen geben. Dass die Grenzen für die Opfer – die Menschen – dann geschlossen werden müssen, ist evolutionäre Auslese.

Vor zehn Jahren haben die deutschen Großbanken der damaligen rot-grünen Bundesregierung gedroht, ihre Zentralen nach London zu verlegen, wenn der Finanzmarkt nicht auch hier liberalisiert werde. Die Regierung hat dem Druck nachgegeben. Wir können uns in diese Zeit zurückversetzen und uns ausmalen, was geschehen wäre, wenn die Regierung dem Druck widerstanden hätte und die Banken ausgewandert wären. Die Medien hätten zum Sturm auf Berlin geblasen, die Regierung wäre darüber gestürzt und die Entscheidung revidiert worden.

Nach der 2008er Krise plant die schweizerische Regierung jetzt in 2011 eine schärfere Regulierung des Finanzmarkts. Nach dem Vorbild der großen deutschen Banken damals hat auch die größte Bank der Schweiz UBS damit gedroht nach London auszuwandern, sollten die Pläne der Regierung umgesetzt werden.

Seit dem Wegfall der Kapitalverkehrskontrollen hat das Kapital die Möglichkeit zur Flucht – oder auch zur Erpressung, wenn ein Staat sich weigert, seine Forderungen zu erfüllen. Seitdem erobert die Finanz-„industrie“ ganze Nationen und die Finanzmärkte beherrschen die Welt. Unsere reale Industrie entwickelt und produziert technischen Fortschritt. Die Finanz-„industrie“ aber entwickelt oder produziert nichts, was irgendjemandem das Leben erleichtert. Im Gegenteil: sie vernichtet Arbeitsplätze, Ersparnisse, Altersversorgungen, Ausbildungshoffnungen, Lebenschancen, ja Leben und vermehrt Not, Verzweiflung und Hunger auf der Welt.

Der weltweite Handel mit seltsamen, für die Realwirtschaft nutzlosen Wertpapieren hat inzwischen ein Volumen von mehr als 600.000 Milliarden Dollar im Jahr erreicht – das Zehnfache des Bruttoinlandsproduktes der ganzen Erde.

Solange die Regeln dieses Spiels bleiben wie sie sind, sind die Finanzinstitutionen, die diese Papiere herausgeben und mit ihnen handeln, allmächtig: sie können die Welt jederzeit in den Abgrund zu stürzen – oder zumindest damit drohen und so erzwingen, was immer ihnen in den Sinn kommt.

Im Sommer 2007 war auf den Finanzmärkten zu spüren, dass die bisherigen Geschäftsmodelle gegen die Wand fahren. Da hat das Bankhaus Goldman Sachs Agrarrohstoffe als Spekulationsobjekt eingeführt und damit seit 2008 eine Preisexplosion bei Nahrungsmitteln ausgelöst. Der Reispreis hat sich verdreifacht, der Weizenpreis verfünffacht – ausgerechnet in 2008, dem Jahr mit der besten Weizenernte in der Menschheitsgeschichte.

Wer von zwei Dollar pro Tag leben muss, gibt 60 bis 80 Prozent seines Ein¬kommens für Nahrungsmittel aus¬. Solche Preisstei¬gerungen sind für viele ein Todesurteil. Jean Ziegler spricht von „stillem Massen¬mord“. Wenn Weizen eher Waffe als Ware ist, erscheint es zufällig, wenn nach vielen komplizierten Geschäf¬ten am Schluss noch etwas Essbares übrig bleibt.

In jeder Stunde fordert unser globales Finanzsystem etwa 1.500 Menschenopfer – Hungertote! Das ist entpersonalisierte Kriegsführung: Der Techniker, der Drohnen auf den Weg schickt oder der Pilot, der aus 15.000 m Höhe Bomben abwirft, muss die Zerstörung, die er auslöst, nicht sehen. Der Fondsmanager, der durch feindliche Übernahmen solide Unternehmen zerschlägt (Hochtief ist das letzte große Beispiel in Deutschland), gewachsene Kunden- und Lieferantenbeziehungen kappt und die Existenzgrundlage von Tausenden von Menschen zerstört, sieht das Elend, das er auslöst, auch nicht.

Goldman-Sachs-Chef Lloyd Blankfein hat von sich gesagt: „Ich bin ein Banker, der Gottes Werk verrichtet“. Für 40 Milliarden Dollar hat er nicht werthaltige Hypothekenpapiere verkauft – vornehmlich an die größte Versicherungsgesellschaft der Welt AIG – sich gleichzeitig gegen die Insolvenz der AIG versichert und auf den Zusammenbruch des Hypothekenmarktes gewettet. Als Kongressabgeordnete ihm das in einer Anhörung als verbrecherisch vorgehalten haben, meinte er bloß: „Im Zusammenhang mit Marketingoptimierung ist das kein Verbrechen.“ Und sein Kollege von der Citibank sekundierte mit: „Wir müssen tanzen, solange die Musik spielt“.

Handel mit Finanzprodukten bringt mehr ein als Beratung. Die Huffington Post in Norfolk, Virginia, berichtet von einem konkreten Beispiel dieser „Filiale Gottes“: Somalische Piraten haben gezielt Schiffe attackiert, die Goldman Sachs bereits „shorted“ (auf deren Verlust gewettet) hatte und sind dafür mit Goldmünzen vergütet worden.

Die Wirklichkeit unseres Gemeinwesens hat sich von dem, was wir unter Demokratie verstehen weit entfernt. Unsere Parlamente schreiben Blankoschecks für die Brüsseler Gesellschaft grauer Herren und unsere Regenten sehen das Volk als den „großen Lümmel“, wie Heinrich Heine es ausgedrückt hat.

Die Wirklichkeit hat sich auch vom Modellglauben der Ökonomen weit entfernt. Als einer der Wirtschaftsnobelpreisträger in den letzten Jahren einmal gefragt worden ist, warum die Modelle der Ökonomen offensichtlich falsch seien, hat er geantwortet: Die Modelle sind richtig, die Wirklichkeit ist falsch.

2 Kommentare

  •   Gerhardus Lang
    Comment Link Gerhardus Lang 23. Februar 2017

    Zum Artikel von Prof. Berger Parallelwährung für Griechenland aus dem Jahr 2011 möchte ich ergänzen, dass genau diese Idee im Januar 2011 im "Seminar für Freiheitliche Ordnung auftauchte", was in dem angehängten Artikel Von E. Behrens dokumentiert ist.
    "Herr Dr. Gerhardus Lang, den wir mit diesem Heft ehren, hat mir am
    21.01.2011 im Rahmen einer E-Mail-Korrespondenz über die verfahrene
    Lage der Schuldenstaaten eine interessante Frage vorgelegt, die zum
    Schwerpunktthema der Arbeit des Seminars für freiheitliche Ordnung e.V.
    (SffO) im Jahre 2011 wurde. Er schrieb: »Könnte man den überschuldeten
    Staaten nicht raten, neben dem Euro eine eigene Währung nach dem Modell
    von Wörgl zu etablieren?« Wegen der grundsätzlichen Bedeutung übermittelte
    ich seine Frage am 22.01.2011 allen Lesern des Forums2 des Seminars
    für freiheitliche Ordnung e.V. und schrieb in meiner Antwort u.a.3: »Denkbar
    ist ein nationales Regiogeld, das neben dem Euro umläuft und in der
    Wertentwicklung an den Euro gekoppelt bleibt. Das wäre dann ein reines
    Zahlungsmittel, keine

    Mit freundlichen Grüßen

    Gerhardus Lang

  •   Eckhard v. Frantzius
    Comment Link Eckhard v. Frantzius 09. August 2015

    Griechenland braucht eine Parallelwährung.
    Für den Inlandbetrieb ein "Fließendes Geld", für den
    Außenhandel und dem Schuldendienst den EURO.
    Also nur ein halber GREXIT. Als die Banken geschlossen hatten, hätte dann unverzüglich eine Innlandwährung
    ausgeteilt und "Inkraft" treten müssen. Brüssel hatte diesen
    Moment verschlafen. Und nun dreht sich das Karussell
    mit den Hilfsgeldern immer weiter. Wo bleiben nun die Hilfs-Gelder der Hilfspakete an Griechenland? Welcher Molloch hat sie geschluckt?

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