„Geld“-Begriff als Stolperstein

Post 30. August 2015 By In 2015
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Bevor ich 1990 ins Finanzwesen abbog, ich vermeide absichtlich den Begriff Finanz-„Wirtschaft“, studierte ich Physik. Es gab während dieser Zeit nie die Situation, dass ich einen Prozess nicht nachvollziehen konnte, da mit ungenauen Begriffsdefinitionen in diesem Fach gearbeitet wurde. Stellen Sie sich vor, zwei Physiker diskutieren über die thermodynamischen Eigenschaften eines Stoffes. Der eine Wissenschaftler verwendet in seinem Zahlenwerk Kelvin als Einheit, doch der andere arbeitet mit Celsius. Beide führen den Dialog, ohne das der jeweilige Gesprächspartner von der abweichenden Maßeinheit weiß. Welche Ergebnisse sind hier zu erwarten?

Man wird auch keine Landwirte finden, die 100 kg Äpfel und 150 kg Birnen ernten und nach verrichtetem Werk zu dem Fazit kommen, 250 kg Äpfel gepflügt zu haben. Wenn der Bauer die Summe seiner Früchte betrachten wöllte, würde er mit absoluter Sicherheit von Obst sprechen.

Wobei das bildhafte Beispiel aus der Obstproduktion im Vergleich zur unten beschriebenen Problematik die Situation nur verschwommen zeigt, da das Wachstum der Äpfel und Birnen nicht in unmittelbarer Verbindung steht.

Anders verhält es sich da beim Geld. Buchgeld, Giralgeld, Geldmenge, Geldvermögen, an vielerlei Stellen werden Wortkombinationen unter Verwendung des Begriffes Geld gebildet. Noch verwirrender wird es, werden nun ...

verschiedene Aggregate addiert und das Ergebnis als Geld bezeichnet. Im Gegensatz zu meinem Studium in der Physik kann ich mich noch gut erinnern, dass ich vor Jahren dachte, gewisse Vorgänge, die innerhalb des Geldsystems ablaufen, verstanden zu haben, doch ein neuer Text dieses Gefühl zumindest anteilig zunichte machte. Es dauerte eine Zeit, bis ich verstand, dass verschiedene Autoren mit den gleichen Begriffen hantierten, doch jeder Verfasser inhaltlich verschiedene Volumina meinte.

Nachdem ich begann, immer zuerst zu prüfen, was der Urheber des betreffenden Textes mit den verwendeten Begrifflichkeiten meinte, verschwand viel von dem Nebel der Unverständlichkeit. Überrascht war ich jedoch, als ich kürzlich Schriften aus den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts las. Denn in diesen Arbeiten wurde genau diese kritische Sachlage thematisiert. So muss man leider feststellen, dass weder die Ökonomie, in der Form, wie sie heute gelehrt wird, noch die Geldreformbewegung in diesem Punkt wesentlich vorangekommen ist. Dies ist ausgesprochen bedauerlich, da ich eine klare Sprache als essentiell sehe, damit der notwendige Erkenntnisprozess wertvoll vorankommt.

So schreibt die Bundesbank auf ihrer Homepage: „Buch- oder Giralgeld ist "stoffloses" Geld, das auf Konten liegt und von Konto zu Konto weitergegeben werden kann. Es kann jederzeit in Bargeld umgewandelt werden.“ Bezeichnen wir die Sichteinlage auf einem Girokonto als Geld, sind fehlerhafte Ableitungen bei der Deutung verschiedener monetärer Abläufe sicher. Insofern werde ich mich dafür einsetzen, dass in einer nicht definierbaren Zukunft mit eindeutigen, die verschiedenen Aggregate abgrenzenden Begriffen, gearbeitet wird.

Sollten Sie Lust haben, mit mir solche Detailfragen zu diskutieren, dann freue ich mich, wenn Sie eines meiner Spezialseminare zum Thema besuchen (12.09. – Leipzig, 31.10. – Wuppertal, 14.11. – Berlin). Hier geht’s zur Anmeldung (Abonnenten der Zeitschrift „Humane Wirtschaft“ und Mitglieder der „INWO Deutschland“ erhalten 20 € Nachlass; bitte bei mir melden, ich versende dann einen entsprechenden Rabattcode)!

Steffen Henke

Last modified on Donnerstag, 22. Oktober 2015 13:22
Steffen Henke

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