In Sekundenschnelle durchsuchte ich meinen Berg an noch nicht abgearbeitetem Lesematerial, um die betreffende Greenpeace-Ausgabe 1.16 zu finden. Nachdem mir dies gelang, tauchte ich sofort in die Artikel ein. Nun habe ich Zeile für Zeile inhaliert und schreibe über meine Erkenntnis.
Es begann spannend, auf Seite 7 wird eine Lisa Großmann vorgestellt. „Sie will die Volkswirtschaftslehre umkrempeln“, ist zu lesen. Ich besuche ihre Internetseite „plurale-oekonomik.de“, dort sind assoziierte Gruppen sichtbar gemacht, auch einen Button „Leipzig“ gibt es. Ich klicke ihn an, Oikos Leipzig erscheint, ich freue mich, 2015 hielt ich an der Universität Leipzig einen Vortrag auf Einladung dieser Gruppe. Auch Frau Großmann sandte ich eine Mail. Das fängt ja gut an, dachte ich.
Auf Seite 10 wird kurz die Bargeldabschaffung thematisiert, auf Seite 11 wird darüber berichtet, wie die USA mit Geld eine Entschädigung der Bikinianer erreichen will, da man diese in den 40ern des 20. Jahrhunderts umsiedelte, um deren Heimat für Atomwaffentests zu verwenden. Auf Seite 18 kommen 64 Wohlhabende zu Wort, die freiwillig, unter Berücksichtigung einer Schongrenze von 500.000 € (bei Betriebsvermögen fünf Mio. Euro, mehr Steuern zahlen wollen, da Ihnen „[…] die wachsende Ungleichverteilung der Einkommen und des Vermögens in Deutschland große Sorgen“ bereitet.
Ab Seite 26 wird diskutiert, ob es zielführend wäre, der Natur einen Preis zu geben. Es wird erklärt, dass die Befürworter dieser Strategie damit eine Versöhnung der Ökonomie und Ökologie erreichen wollen. Die Kritiker meinen, dass diese Herangehensweise gefährlich sei, da „[…] alles, was einen Preis hat, auch zur Ware werden kann.“
Ab Seite 33 zeigt man auf, wie Eliten mit blumigen Begriffen versuchen, der Bevölkerung Maßnahmen zu verkaufen, die dem Gemeinwohl schaden. Auf Seite 37 findet man mit ein bisschen Glück, dass die „[…] neoliberale Idee, den Staat so weit es irgendwie geht aus allem herauszuhalten und Regulierung bis zur Unkenntlichkeit abzubauen […] in die Katastrophe geführt hat.“ Gemeint ist die 2008 ausgebrochene Finanzmarktkrise.
Mit einem Rätsel soll man auf Seite 39 sein Wissen zur Geschichte des Geldes testen. Auf Seite 41 verrät ein Text, dass das Kapital der großen Investmentgesellschaften der wichtigsten Volkwirtschaften im Jahr 2013 ca. 85 Bio. Euro betrug. Dies wäre „[…] fast doppelt so viel, wie alle 34 Industriestaaten der OECD im gleichen Jahr gemeinsam erwirtschafteten.“ Doch was sind die Ursachen dieser Fehlentwicklung?
Die sogenannte Vollgeldinitiative hat es in das Heft (Seite 45) geschafft. Laut des kurzen Artikels wird erläutert: „Geschäftsbanken sollen künftig kein Geld mehr schöpfen dürfen.“ Was mit Geld gemeint ist, wird nicht beschrieben und damit der Fehler der Ökonomie, mit schwammigen Begriffsdefinitionen zu arbeiten, übernommen. Auch wird nicht hinterfragt, wie das Vollgeld im Umlauf gehalten, damit der Austausch von Waren und Dienstleistungen möglichst krisenfrei absolviert wird. Unter anderem wird diese Frage von Thomas Mayer in seinem Buch (Vollgeld – Das Geldsystem der Zukunft) auf Seite 135 beantwortet. Der Zins soll als Umlaufsicherung zum Tragen kommen. Doch führen Zins und Zinseszins nicht zu exponentiellen Wachstumsprozessen, die nur zeitlich begrenzt funktionieren können?
Ab Seite 50 werden nachhaltige Geldanlagen beleuchtet und ab Seite 56 über die Ornamentik der Banknoten philosophiert. Ab Seite 64 wird das perfide Wahlsystem der USA vorgestellt, wie mit Milliarden Dollar entschieden wird, wer politisch das Sagen hat und wie die Würfel bei wichtigen Entscheidungen, zum Beispiel beim Umweltschutz, fallen. Eine wahrlich kranke Angelegenheit, denke ich.
Mehr oder weniger das Finale der Ausgabe liefert ein Artikel mit der Überschrift „Die Schatzinsel“. Milliardäre kommen auf einer paradiesischen Insel zusammen, um Wege zu suchen, wie man aus der Bitcointechnologie massiv Kapital schlagen kann. Die Theorie eines Redners (Seite 75): Die Ursache für Armut liege in fehlenden Eigentumsrechten. Hätte demnach ein Slumbewohner auf seine Hütte einen „[…] verbrieften Eigentumsanspruch, dann wäre die Hütte etwas wert.“ Woran man alles glauben kann, mein spontanes Gefühl.
Es wäre unfair, wenn ich nicht auf viele weitere Inhalte der Ausgabe verweisen würde, die durchaus hohen Informationsgehalt besitzen. Doch meine Hoffnung, dass man an die Wurzel im Geldsystem geht, wurde enttäuscht. Der positive Zins als destruktive Geldumlaufsicherung erzwingt Wirtschaftswachstum. Dieser Wachstumszwang ist eine der Kernursachen für Umweltzerstörung. Mit den Mechanismen des aktuellen Finanzwesens können wir nicht zu einer nachhaltigen Produktionsweise finden, die unsere Lebensgrundlage, unseren Planeten erhält.
Kann man in einem Printmedium eines Umweltschutzverbandes, dessen Cover den Schriftzug „Geld Spezial“ trägt und an selber Stelle „Wir zeigen neue Wege […]“ geschrieben steht, erwarten, die Wirkungen von Zins und Zinseszins zu beleuchten? Ist das Fließende Geld kein „neuer Weg“, der diskutiert werden sollte? Liebe Redakteure des Greenpeace-Magazins, ich wünsche Ihnen das Beste für Ihre Arbeit und werde mich natürlich weiter auch mit Hilfe Ihrer wertvollen Beiträge informieren. Beim Titel des Heftes 1.16 hätte ich mir allerdings inhaltlich mehr gewünscht. So denke ich voller Freude und Dankbarkeit an die Einladungen des Kreisverbandes Biberach des BUND zurück, mit dessen Engagement bereits mehrfach das Fließende Geld ins Rampenlicht gestellt werden konnte.
Steffen Henke