Bürgerbewegung Finanzwende e. V.

Post 08. März 2020 By
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Der Name „Bürgerbewegung Finanzwende“ verspricht einiges. Es handelt sich um einen im Juli 2018 gegründeten Verein, der in Berlin eine Geschäftsstelle unterhält. Ihm ist es 2018 gelungen, finanzielle Mittel in Höhe von über 370.000 € anzuwerben, insofern ist die Initiative für ihre Arbeit mit Geld gut ausgestattet.

Auf der Internetpräsenz des Vereins sind 3 Kampagnen zu finden. Über diese Aktionen setzt man sich für ein Verbot der geplanten facebook-Währung „Libra“ ein, weist auf hässliche Machenschaften bei der Kreditvergabe von Ratenkrediten hin und liefert einen Appell zur Finanzkrise.

Im Text des Appels zur Finanzkrise wird erklärt, dass ...

die Finanzwende über Maßnahmen, zusammengefasst in einem Forderungskatalog, erreicht werden soll. Schuldenbremse für Banken, Finanztransaktionssteuer, Lobbyregister, sozialer Wohnungsbau, usw. sind bestimmt Inhalte, über die gesprochen werden muss, nur können sie eine echte Finanzwende einleiten, wenn des Pudels Kern nicht berührt wird?

Finanzberater und Finanzberaterinnen werden unter Generalverdacht gestellt. Die Beratungsergebnisse seien schlecht, da provisionsgetrieben. Es wird als Alternative die Honorarberatung empfohlen. Allerdings muss ein Kunde das Honorar auch nach miserabler Beratung zahlen, bei erfolgsabhängiger Vergütung des Dienstleisters kauft er einfach nicht. 2013 wurde in England ein Provisionsverbot für Altersvorsorgeprodukte eingeführt. Auf die negativen Wirkungen des Verbotes wird im Appell nicht eingegangen. Die britische Finanzaufsicht FCA prüft gegenwärtig die Wirkungen des Provisionsverbotes. Das Ergebnis soll im Herbst 2020 vorliegen.

Zum 01. Juli 2019 waren 199.421 Versicherungsvermittler, 37.865 Finanzanlagenvermittler und 157 Honorar-Finanzanlagenberater im betreffenden Register eingetragen. Offensichtlich wird die Honorarberatung von der Bevölkerung eher nicht nachgefragt. Bei 157 Honorarberaterinnen und –Beratern sind wir von einer flächendeckenden Versorgung weit entfernt.

Eine der Kernaussagen des Vereins zur gegebenen Situation ist: „Krisenursachen wurden nicht abgebaut. 10 Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise ist die ernüchternde Bilanz: Schuldenkrise, Betrug und Steuertricks sind an den Finanzmärkten weiter an der Tagesordnung.“ Das klingt mehr nach „Anprangern“ als das der Blick auf systemische Fehler gelenkt wird.

Wieso wir gerade eine Schuldenkrise erleben, darüber ist nichts zu lesen. Dass sich Guthaben und Schulden über den Zinseszinseffekt exponentiell über die vergangenen Jahrzehnte aufgebläht haben, wird nicht erklärt. Im Gegenteil, in der Aufzählung unter „Kundenorientierte Finanzberatung“ ist: „Keine Zinsen auf Sparguthaben, […]“ als Kritik zu finden. Das vermittelt den Eindruck, dass sich der Verein höhere Zinsen auf Sparguthaben wünscht. Die destruktive Wirkung höherer Zinsen wird nicht erkannt. Denn: Je höher der Zins, desto stärker der Umverteilungsmechanismus wegen ungleicher Vermögensverteilung von fast Allen zu sehr Wenigen. Auch führt ein Zins, deutlich über null Prozent als destruktive Geldumlaufsicherung, zu einem Wirtschaftswachstumszwang. Die Konsequenzen für Mensch, Tier und die Natur sind verheerend.

Um es zu betonen: Jede Initiative, die auf Fehler, Fehlanreize und gemeinwohlschädigende Entwicklungen hinweist und sich für Veränderungen in diesen Bereichen stark macht, ist zu begrüßen. Deshalb wünsche ich den Engagierten das Beste für ihre Arbeit. Eine Finanzwende im eigentlichen Sinne, ohne die Art der Geldumlaufsicherung, wie sie beim Fließenden Geld gedacht ist, zu ändern, kann nicht erreicht werden.

Steffen Henke

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